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Vorverträge bei Immobilien

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Wenn Verhandlungen bei einem Liegenschaftsverkauf aufgenommen werden, stellt sich ab einem bestimmten Zeitpunkt immer wieder die Frage nach der Bindung der Parteien. Diese Frage stellt sich meist vor der öffentlichen Beurkundung. Der potentielle Käufer soll durch eine Anzahlung seinen Vertragswillen betätigen; der potentielle Verkäufer verpflichtet sich zum Verkauf. Auch der Kaufpreis wird fixiert. Meist erfolgt diese Abmachung sogar schriftlich. Kommt es anschliessend zur Beurkundung des Verkaufs, bleiben Probleme aus. Anders ist es, wenn sich eine der beiden Parteien nicht an die Abmachung hält. Typisch ist ein Fall, der 1993 vom Bundesgericht entschieden wurde (BGE 119 II 20 ff. = Pra 82 (1993) Nr. 188).

Sachverhalt
Im Jahre 1974 zahlte ein Architekt einem Landeigentümer als Anzahlung zwei Mal Fr. 6‘000.00 im Hinblick auf den Erwerb eines Grundstückes, welches Fr. 12‘500.00 kosten sollte. Die beiden Parteien unterzeichneten ein als „Quittung/Vertrag“ bezeichnetes Dokument. Gemäss diesem Dokument sollte vom Architekten ein Stall, Parz. Nr. 396, erworben werden (Kaufobjekt). Mit Unterzeichnung und später wurden insgesamt Anzahlungen von Fr. 12‘000.00 geleistet. Fr. 500.00 sollten wohl später, nämlich bei Abschluss des vom Notar zu beurkundenden Kaufvertrags bezahlt werden (Kaufpreis Fr. 12‘500.00).
In der Folge starb der Landeigentümer. In der Erbteilung wurde das Grundstück einem der vier Erben zugewiesen, welcher das Grundstück seinerseits an einen Dritten veräusserte. Es entbrannte Streit zwischen dem Architekten und den vier Erben als Solidarschuldner des Erblassers über die Rückzahlung der geleisteten Fr. 12‘000.00 plus Zins.

Rechtliches – Formvorschriften beim Verkauf von Liegenschaften
Gemäss Art. 216 Abs. 1 OR braucht es für den Vertrag über den Erwerb einer Liegenschaft die öffentliche Beurkundung. Wird diese Form nicht eingehalten, ist die Vereinbarung der Parteien gemäss Art. 11 Abs. 2 OR ungültig. Das Bundesgericht versteht die Ungültigkeit als Nichtigkeit: Es entstehen keine Verpflichtungen. Jede Partei kann sich auf die Nichtigkeit berufen; sie ist zudem von Amtes wegen zu beachten. Gemäss Art. 216 Abs. 2 OR gilt diese Formvorschrift auch für Vorverträge, mit welchen ein Liegenschaftskauf vorbereitet wird (vgl. dazu auch Art. 22 Abs. 2 OR). Entsprechend dieser Gesetzeslage ist die von den Parteien als „Quittung/Vertrag“ bezeichnete Vereinbarung nichtig.

Rückforderung der Anzahlung
Was aber geschieht mit den bereits geleisteten Anzahlungen, wenn der Kaufvertrag nicht öffentlich beurkundet wird? Aus der Vereinbarung selbst kann kein Anspruch hergeleitet werden; diese ist nämlich nichtig. Die Frage regelt Art. 62 OR. Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten. Die Erben haben dem Architekten die Fr. 12‘000.00 also grundsätzlich einmal zurückzuerstatten. So einfach ist die Sache aber leider nicht. Art. 63 Abs. 1 OR hält nämlich fest, dass derjenige, der eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, das Geleistete nur dann zurückfordern kann, wenn er nachweist, dass es sich über die Schuldpflicht im Irrtum befand. Ein Architekt aber weiss, dass Kaufverträge und Vorverträge öffentlich zu beurkunden sind. Ihm dürfte deshalb der Nachweis der irrtümlichen Zahlung kaum gelingen. Und genau darauf haben sich die Erben auch berufen. Das Bundesgericht hat nun aber einen Ausweg gefunden. Es sei nämlich gar nicht eine Nichtschuld bezahlt worden. Rechtsgrund für die Anzahlungen von Fr. 12‘000.00 sei nicht der – nichtige – Vorvertrag gewesen, sondern die Erwartung eines erst in Zukunft abzuschliessenden und öffentlich zu beurkundenden Kaufvertrages. Wird der Vertrag wie hier nicht abgeschlossen, ist die Leistung wegen eines nicht verwirklichten Rechtsgrundes zurückzuerstatten.

Verjährungsprobleme
Nun kommen aber noch die Verjährungsprobleme hinzu. Der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verjährt nämlich gemäss Art. 67 OR nach einem Jahr nach Kenntnis vom Anspruch, in jedem Fall aber 10 Jahre nach Entstehung des Anspruchs. Der Anspruch entsteht bei einem Rückerstattungsanspruch wegen eines nicht verwirklichten Rechtsgrundes, sobald Gewissheit darüber besteht, dass sich der Rechtsgrund nicht mehr verwirklichen kann. Dann beginnt die – absolute – Frist von 10 Jahren. Das könnte vorliegend der Tod des Eigentümers, die Erbteilung oder der Verkauf an den Dritten sein. Mit Kenntnis des Architekten von diesen Umständen beginnt die – relative – Frist von 1 Jahr. Bei der Rückforderung ist also Eile angesagt.

Fazit
Der Abschluss von mündlichen oder schriftlichen Vorverträgen beim Liegenschaftsverkauf ist problematisch. Solche Verträge sind nichtig und es entstehen daraus keine Erfüllungsansprüche. Wer aufgrund solcher Verträge Zahlungen leistet, muss aufpassen, dass er sein Geld wieder bekommt, wenn später der Kaufvertrag nicht öffentlich beurkundet wird.