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Tücken beim Abschluss eines Grundstückkaufvertrages

Wer vermeiden will, sich beim Abschluss eines Grundstückkaufvertrages ins Dickicht von Irrtumsregeln zu gelangen, wenn sich seine Erwartungen nicht erfüllen, tut gut daran, den Text vorher gut zu lesen (Bundesgericht, 4A_461/2016).

Sachverhalt
Am 19. August 2013 schlossen Käufer und Verkäufer einen Kaufvertrag ab. Gegenstand war ein Grundstück zum Preis von Fr. 675‘000.-. Im Kaufvertrag wurde wohl auf eine Dienstbarkeit hingewiesen, doch der Text wurde im Vertrag wie üblich nicht aufgeführt. Immerhin bestätigte der Käufer im Vertrag, den Text der Dienstbarkeit zu kennen, obwohl dies tatsächlich nicht zutraf. Der Käufer wollte das Grundstück überbauen und zahlte deshalb aus seiner Sicht Baulandpreise. Der Vertrag wurde anschliessend beidseits erfüllt. Als der Käufer ein Baugesuch stellte, wehrte sich der Nachbar. Auf dem Grundstück war nämlich eine Dienstbarkeit eingetragen. Diese sicherte dem Nachbarn zu, die Oberfläche als Garten benutzen zu können. Der Käufer berief sich, weil er nicht absichtsgemäss bauen konnte, auf Grundlagenirrtum, focht den Kaufvertrag an und wollte ihn rückabwickeln.

Beurteilung
Grundlagenirrtum
Befindet sich eine Vertragspartei beim Abschluss eines Vertrages in einem wesentlichen Irrtum, kann sie diesen aufgrund von Art. 23 OR anfechten. Ein solch wesentlicher Irrtum liegt vor, wenn er einen bestimmten Sachverhalt betrifft, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR; Grundlagenirrtum). Vorausgesetzt werden: Ein Irrtum, subjektive Wesentlichkeit für den Vertragsabschluss oder dessen Inhalt und objektive Wesentlichkeit vom Standpunkt des loyalen Geschäftsverkehrs aus betrachtet.

Fahrlässigkeit beim Irrtum
Hat der Irrende den Sachverhalt aus Fahrlässigkeit nicht abgeklärt, so kann er sich trotzdem auf Irrtum berufen. Allenfalls hat er der Gegenseite Schadenersatz nach Art. 26 OR zu leisten.

Irrtum und Treu und Glauben
Eine Berufung auf Irrtum ist aber dann ausgeschlossen, wenn sie den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt. Unter diese Verstösse fallen die Fälle des bewussten Nichtwissens. Jemand der weiss, dass er etwas nicht weiss, irrt sich diesbezüglich eben nicht. Allerdings braucht es hierfür neben dem Bewusstsein der Unwissenheit auch die diejenige der Relevanz. Hierfür muss der Sachverhalt bezüglich Wissen und Wollen der Partei abgeklärt sein. Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts war dies aber nicht der Fall, weil der Käufer in Bezug auf die Relevanz kein Bewusstsein hatte. Auch die Öffentlichkeit des Grundbuches, dass nämlich die Kenntnis von dessen Inhalt unwiderleglich vermutet wird (Fiktion), hilft nicht weiter, weil dieser Grundsatz zwischen den Vertragsparteien nicht gilt. Wohl wird in einem solchen Fall der Irrende fahrlässig kandeln, wenn er keine Abklärungen trifft. Doch dies allein genügt noch nicht dafür, eine Berufung auf Irrtum auszuschliessen. Im vorliegenden Fall geht es auch nicht um einen Irrtum über die Rechtsfolgen des Vertragsabschlusses, sondern es geht um den Irrtum über den tatsächlichen Bestand eines rechtlichen Zustands, also um einen Rechtslageirrtum. Es liegt deshalb auch nicht ein klarer, unbeachtlicher Motivirrtum vor. Aufgrund der unterlassenen Abklärungen des Käufers wurden beim Verkäufer auch nicht berechtigte Erwartungen aufgebaut, die Dienstbarkeit sei für den Käufer nicht wesentlich. Deshalb konnte es auch nicht zu einer Enttäuschung dieser Erwartungen kommen. Ein Verstoss gegen Treu und Glauben wurde dann aber doch noch festgestellt. Ein unauflösbarer Widerspruch bestand nämlich zwischen der Erklärung des Käufers, den Wortlaut der Dienstbarkeit gelesen zu haben, und der tatsächlichen Unkenntnis vom Wortlaut. Dieser Widerspruch im Verhalten führte dazu, dass das Bundesgericht die Berufung auf den Irrtum wegen Verstoss gegen Treu und Glauben nicht zuliess.

Entscheidung
Aufgrund der obigen Ausführungen wies das Bundesgericht die Klage auf Rückabwicklung ab.

Fazit
Wer einen Grundstückkaufvertrag abschliesst, hat den Vertragstext sorgfältig zu lesen. Bestätigungen sind auf ihre Richtigkeit hin zu hinterfragen. Im Zweifel ist die Urkundsperson, welche den Vertrag beglaubigt, zu fragen.

The Advisor – Rund um Immobilien