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Rechtsnatur des Vertrages auf Erstellung einer Liegenschaftsschätzung

Wer hat sich nicht schon einmal in seinem Leben über eine Liegenschaftsschätzung aufgeregt. Entweder sie war zu hoch, z.B. wenn es galt, aus einer Erbschaft eine Liegenschaft zu übernehmen, oder sie war zu tief, z.B. wenn sie der Bank als Grundlage für die Hypothek diente. Rechtlich ist die Rechtsnatur interessant. Nach der rechtlichen Einordnung des Auftrages zur Erstellung einer Liegenschaftsschätzung richtet sich nämlich die Haftung des Erstellers. Das Bundesgericht hat hierbei für eine gewisse Klärung gesorgt (BGE 127 III 328).

Sachverhalt
Zwei Erben standen in einem Erbteilungsprozess. In der Erbschaft befand sich auch eine Liegenschaft. Die Erben liessen von einer Firma eine Verkehrswertschätzung der Liegenschaft erstellen. Die Firma ermittelte im Juni 1994 einen Wert von Fr. 573‘000.-. Die Erben übernahmen diesen Wert im Erbteilungsverfahren. Der eine Erbe übernahm in der Folge die Liegenschaft zum Anrechnungswert von Fr. 573‘000.-. Fünf Jahre nach der Erstellung des Gutachtens, im Juli 1999, verkaufte der übernehmende Erbe die Liegenschaft für Fr. 440‘000.-. Er warf nun dem Schätzer vor, dieser hätte den Wert viel zu hoch ermittelt, weshalb ihm ein Schaden entstanden sei. Er belegte diese Behauptung auch mit einer Schätzung der Steuerverwaltung im Jahr 1998 (Fr. 361‘000.-), der Kantonalbank im Jahr 1999 (Fr. 445‘000.-) und eines weiteren Schätzers im Jahr 1999 (Fr. 456‘000.-). Wie ist das Schadenersatzbegehren zu beurteilen?

Welche Haftungsregeln sind anwendbar?
Um die Frage nach den Haftungsregeln beurteilen zu können, ist das Vertragsverhältnis in die im Obligationenrecht vorgegebenen Vertragstypen einzuordnen. Im Speziellen geht es um die Frage, ob die Erstellung einer Schätzung einen Auftrag (Art. 394 ff. OR) oder einen Werkvertrag (Art. 363 ff. OR) darstellt. Der Beauftragte hat die ihm übertragenen Geschäfte vertragsgemäss zu besorgen (Art. 394 Abs. 1 OR). Er steht für ein sorgfältiges Tätigwerden ein und hat dabei die Interessen des Auftraggebers zu wahren (Art. 398 Abs. 2 OR). Demgegenüber verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes (Art. 363 OR). Entspricht das Werk nicht den vertraglich geforderten Eigenschaften, kommt es zur Mängelhaft nach den Art. 367 ff. OR. Wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Vertragsarten bildet der Arbeitserfolg. Im Gegensatz zum Beauftragten schuldet der Unternehmer einen Erfolg.

Kann ein Erfolg objektiv garantiert werden?
Bei der Erstellung einer Liegenschaftsschätzung handelt es sich um eine geistige Leistung. Doch der Erfolg gemäss Werkvertrag kann nicht nur ein körperliches Arbeitsergebnis sondern auch ein unkörperliches sein. Strittig könnte nur noch sein, ob das unkörperliche Arbeitsergebnis wenigstens eine gewisse Körperlichkeit erlangen muss. Da aber das Gutachten schriftlich erteilt wurde, war diese Körperlichkeit auf jeden Fall gegeben.
Der Vertrag zur Erstellung einer Liegenschaftsschätzung stellt den Fall eines Gutachtervertrages dar. Gegenstand eines Gutachtens können aber ganz verschiedene Leistungen oder Fragestellungen sein. Technische Gutachten z.B. führen zu einem Resultat, welches nach objektiven überprüft und entsprechend als richtig oder falsch qualifiziert werden kann. Die objektive Richtigkeit kann als Erfolg versprochen werden: Es gibt objektive Kriterien, die Richtigkeit zu beurteilen. Dann kommt Werkvertrag zur Anwendung. Gibt es aber keine solchen objektiven Kriterien für die Beurteilung der Ergebnisse, dann kann die – objektiv gar nicht beurteilbare – Richtigkeit nicht als Erfolg versprochen werden. Es kommt Auftragsrecht zur Anwendung. Der Beauftragte schuldet nicht einen Arbeitserfolgt, sondern ein sorgfältiges Tätigwerden im Interesse des Auftraggebers und im Hinblick auf einen bestimmten Erfolg, dessen Eintritt aber nicht garantiert werden kann. Das massgebliche Entscheidungskriterium ist vorliegend also die Frage, ob die Richtigkeit des Ergebnisses objektiv garantiefähig ist.

Wie steht es um den garantiefähigen Erfolg bei der Verkehrswertschätzung?
Die Schätzung des Wertes einer Sache ist eine Ermessensfrage. Das Resultat kann deshalb nicht nach objektiven Kriterien als falsch oder richtig beurteilt werden. Der Auftrag zur Erstellung einer Verkehrswertschätzung untersteht damit dem Auftragsrecht.

Fazit
Wird einer Firma der Auftrag zur Erstellung einer Verkehrswertschätzung erteilt, kommt Auftragsrecht zur Anwendung. Das Ergebnis, die Schätzung, kann nicht am Erfolg gemessen werden, weil es gar keinen nach objektiven Kriterien beurteilbaren Erfolg gibt. Das Vorgehen des Erben, die „Falschheit“ der Verkehrswertschätzung mit anderen Gutachten zu belegen, war nicht zielführend. Der Schätzer hat demgegenüber bei der Erstellung sorgfältig vorzugehen. Es hätte also die mangelhafte Sorgfalt dargelegt werden müssen.