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Mitwirkungspflichten des Vermieters im Prozess

Das soziale Mietrecht schützt den Mieter gegen missbräuchliche Kündigungen und unangemessen hohe Mietzinsen. Um diese Ziele durchzusetzen, wurde das traditionelle Vertragsrecht teilweise bis zur Unkenntlichkeit verändert. Dem Mieter werden Anfechtungsrechte nicht nur gegen Vertragsänderungen, z.B. bei einer Kündigung oder einer Mietzinserhöhung, sondern sogar gegen den ursprünglichen Vertragsabschluss gewährt, z.B. durch die Möglichkeit, den vertraglich abgemachten Anfangsmietzins anzufechten. Im konkreten Prozess aber bestehen Schranken bei der Fixierung von Pflichten zu Lasten des Vermieters, wie das Bundesgericht in einem neuen Entscheid festgehalten hat (5A_533/2015).

Sachverhalt
Der Mieter bewohnt in Genf eine 5-Zimmer-Wohnung. Eingezogen war er im Jahr 2005. Der Mietzins war subventioniert und unterstand deshalb bis Ende 2012 der kantonalen Mietzinskontrolle. Der neue Vermieter hatte die Liegenschaft vor Kurzem geschenkt bekommen und wollte den Mietzins nach der Kontrolle von CHF 1‘491.- auf CHF 1‘508.40 erhöhen. Dem Mieter aber passte das nicht und er machte Missbräuchlichkeit des neuen Mietzinses geltend, indem er eine Reduktion des Mietzinses von 30% forderte.
Im Prozess vor Mietgericht wurde der Vermieter im Rahmen des Beweisverfahrens aufgefordert, eine Ertragsberechnung vorzulegen. Da der Vermieter die Liegenschaft aber erst vor Kurzem erworben hatte, war er dazu nicht in der Lage. Das Mietgericht machte dem Vermieter daraus keinen Vorwurf. Es kam, da eine Ertragsrechnung nicht vorgelegt werden konnte, aufgrund von statistischen Erhebungen zum Schluss, dass der erhöhte Mietzins nicht missbräuchlich war. Das Genfer Obergericht sah das anders. Es meinte, der Vermieter müsse dafür einstehen, dass er die Ertragsrechnung nicht vorlegen konnte. Es reduzierte den Mietzins um 25%.

Beurteilung
Methoden zur Beurteilung des Mietzinses
Ist in einem Mietprozess die Angemessenheit eines Mietzinses zu beurteilen, stehen zwei Methoden zur Verfügung. Mit der absoluten Methode wird in einer Gesamtbetrachtung zu einem bestimmten Zeitpunkt die Angemessenheit beurteilt. Dafür stehen einerseits die anfallenden Kosten, inkl. Gewinnanteil (Kostenmiete), oder andererseits Vergleichsobjekt auf dem Markt (Marktmiete) zur Verfügung.
Die relative Methode geht von der letzten Mietzinsfestsetzung aus und fragt nur, was sich seither verändert hat. Dabei wird der letzte Mietzins als angemessen beurteilt und nicht überprüft.

Anwendungsbereich der beiden Methoden
Bei einem bestehenden Mietverhältnis kommt regelmässig die relative Methode zur Anwendung. Wird der Anfangsmietzins angefochten, wird auf die absolute Methode abgestellt. Die absolute Methode kommt auch dann zur Anwendung, wenn wie im vorliegenden Fall, eine Immobilie aus einer kantonalen Mietzinskontrolle entlassen wird und in weiteren Spezialfällen.

Beweislast und Beweiswürdigung
Die Beweislast für die Missbräuchlichkeit des Mietzinses trifft den Mieter. Kann er den Nachweis nicht erbringen, wird gegen ihn entschieden (Beweislast). Ob der Nachweis erbracht worden ist, entscheidet das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung. Nur wenn die Beweiswürdigung kein Ergebnis erbringt, kommen die Regeln der Beweislast zum Tragen.

Mitwirkungspflicht des Vermieters und Folgen der Verletzung
Aus Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) wird im Prozess zudem eine Mitwirkungspflicht des Vermieters hergeleitet. Er muss dem Gericht alle Beweise aushändigen, die sich in seiner alleinigen Verfügungsmacht befinden. Gemäss dem vorliegenden Bundesgerichtsentscheid kann aber vom Vermieter nicht verlangt werden, dass er sich diese Dokumente von Dritten (Voreigentümern) beschafft. Verletzt der Vermieter die Mitwirkungspflicht, ändert dies nicht die Beweislast. Aber im Rahmen der Beweiswürdigung kann der Richter diese Verletzung der Mitwirkungspflicht würdigen und z.B. geringere Anforderungen an das Beweismass stellen oder sogar von einer Beweisvereitelung ausgehen und gegen den Vermieter entscheiden. Kann der Vermieter aber nachweisen, dass er z.B. Dokumente nicht besitzt, oder kann er wenigstens das Fehlen rechtfertigen, entsteht keine Mitwirkungspflicht des Vermieters. Entsprechend kann ihm bei der Beweiswürdigung auch keine Verletzung derselben entgegengehalten werden. Das Gericht hat dann die Beweiswürdigung aufgrund des übrigen Beweisergebnisses vorzunehmen.

Entscheidung
Im vorliegenden Fall hat der Vermieter die Liegenschaft erst vor Kurzem erworben. Er konnte deshalb die Dokumente für die Ertragsrechnung gar nicht besitzen. Von ihm kann zudem nicht gefordert werden, sich diese Dokumente von Dritten zu beschaffen. Es durfte bei der Beweiswürdigung nicht von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht des Vermieters ausgegangen werden. Die Entscheidung des Obergerichts wurde deshalb aufgehoben.

Fazit
Die Entscheidung klärt die Grenzen der Mitwirkungspflicht des Vermieters in Prozessen, in denen es um Mietzinsanfechtungen geht. Dem Vermieter kann keine Verletzung der Mitwirkungspflicht vorgeworfen werden, wenn er Beweisdokumente nicht von Dritten beschafft. Nur was sich in seiner Verfügungsmacht befindet, hat er dem Gericht zur Verfügung zu stellen.

The Advisor