Wie kann sich ein Vermieter gegen ein Herabsetzungsbegehren des Mieters wehren? Er kann sich auf eine ungenügende Nettorendite berufen. Aber auch der Mieter kann ein Herabsetzungsbegehren mit einem übermässigen Ertrag begründen. Allerdings sind bei einer Nettoertragsrechnung knifflige Fragen zu beantworten. Ein neuerer Fall des Bundesgerichts beantwortet einen Teil der vielen Streitfragen, die bei der Nettoertragsberechnung bestehen (4A_606/2014 = Pra 105 (2016) Nr. 33).
Sachverhalt
Der Vermieter erwarb einen grösseren Teil einer Liegenschaft im Jahr 1987 für gute CHF 2.0 Mio. Durch einen Mietvertrag vermietete der Vermieter auf den 1. April 1988 Räume im Untergeschoss. Der Mieter betrieb dort eine Tanzschule. Der Mietvertrag wurde fest für 5 Jahre eingegangen. Sofern er nicht ein Jahr im Voraus gekündigt wurde, verlängerte er sich um weitere 5 Jahre. Einmal jährlich konnte der Mietzins an die Änderung des Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) angepasst werden. In den Jahren 1985 (CHF 500‘000.-), 2007 (CHF 36‘034.-) und 2009 (CHF 152‘111.-) nahm der Vermieter Bauarbeiten am Objekt vor. Sowohl Kaufpreis wie auch Bauarbeiten wurden mit eigenen Mitteln finanziert. Der monatliche Nettomietzins wurde letztmals am 19. März 2009 auf CHF 2‘312.- angepasst. Mit Schreiben vom 29. November 2011 verlangte der Mieter mit Wirkung per 1. April 2013 eine Herabsetzung des Mietzinses auf CHF 1‘000.-. Er machte geltend, der Vermieter erziele einen übermässigen Ertrag. Der Vermieter bestritt dies.
Nettoertrag
Gemäss Art. 269 OR sind Mietzinsen dann missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird. Gemeint ist damit der Nettoertrag auf den investierten Eigenmitteln. Zu ermitteln sind einerseits die investierten Eigenmittel und andererseits die Erträge des Mietobjektes abzüglich aller Liegenschaftskosten (Ist-Rendite). Die Ist-Rendite ist zu vergleichen mit dem Referenzzinssatz plus 0.5% (Maximal-Rendite). Ist die Ist-Rendite höher als die Maximal-Rendite, erfolgt bei einem Herabsetzungsbegehren eine Reduktion des Mietzinses.
Zeitpunkt für die Bestimmung der Maximal-Rendite
Der Referenzzinssatz hat in den letzten Jahren häufig geändert. Es stellt sich deshalb die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Bestimmung des Referenzzinssatzes und damit der Maximal-Rendite abzustellen ist. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass auf den letzten Tag abzustellen ist, an welchem eine fristgerechte Zustellung einer Mietzinsanpassung noch möglich ist. Vorliegend wird eine Änderung per 1. April 2013 geltend gemacht. Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr. Der Vermieter muss also spätestens am 31. März 2012 im Besitz des Herabsetzungsbegehrens des Mieters sein. Um dies zu erreichen, muss vorsichtshalber mit einem Tag für die Zustellung durch die Post und mit sieben Tagen bei erfolglosem Zustellungsversuch gerechnet werden. Die Aufgabe auf der Post hat also spätestens am 22. März 2012 zu erfolgen. Auf dieses Datum ist – bei einem Herabsetzungsbegehrens des Mieters – bei der Bestimmung des massgeblichen Referenzzinssatzes abzustellen. Nicht massgeblich ist demgegenüber das Datum des Schreibens, mit welchem die Herabsetzung geltend gemacht wird. Am 22. März 2012 betrug der Referenzzinssatz 2.5%. Die zulässige Rendite (Maximal-Rendite) beträgt deshalb 3.0%. Damit war die „Messlatte“ definiert. Dieser Zeitpunkt ist übrigens auch für die Anpassung der Eigenmittel an die Teuerung und die Liegenschaftenkosten von Bedeutung. Das heisst konkret, die Anpassung der Eigenmittel an die Teuerung erfolgt bis Ende Februar 2012 und bei den Liegenschaftenkosten können diejenigen aus dem Jahr 2011 verwendet werden.
Gesamtrendite vs. Rendite des einzelnen Mietobjektes
Klar ist, dass für die Beurteilung des angemessenen Mietzinses auf die Ist-Rendite des Mietobjektes und nicht auf diejenige des Gesamtobjektes abzustellen ist. Allerdings ist auch klar, dass die Erwerbskosten und die übrigen Kosten meist für die Gesamtliegenschaft buchhalterisch erfasst werden. Deshalb ist es zulässig, die Ist-Rendite der Gesamtliegenschaft zu ermitteln und diese nach einem geeigneten Verteilschlüssel auf die einzelnen Mietobjekte zu verteilen. Der Verteilschlüssel steht im freien Ermessen des Vermieters. Meist wird bei Mietobjekten eine Verteilung nach Flächen vorgenommen.
Umgang mit den Unterhaltskosten und den grösseren Umbauarbeiten
Um die Ist-Rendite zu ermitteln sind von den Mieterträgen alle Kosten abzuziehen. Anschliessend ist das Verhältnis zu den selbstfinanzierten Anlagekosten zu ermitteln, was die Ist-Rendite ergibt.
Die Ermittlung der Mieterträge ist regelmässig einfach, weil die Mieterträge konstant sind. Problematisch sind demgegenüber die laufenden Unterhaltskosten. Um einigermassen gleichmässige Verhältnisse zu erreichen, muss auf einen Durchschnitt von fünf oder drei Jahren abgestellt werden. Bei grösseren Umbauarbeiten ist eine Aufteilung der Kosten zwischen laufendem Unterhalt und wertvermehrenden Investitionen notwendig. Letztere werden zu den Anlagekosten gezählt. Erstere werden aufgrund der voraussichtlichen Nutzungsdauer auf die jährlichen Unterhaltskosten umgerechnet. Bei der Aufteilung besteht ein weiter Ermessenspielraum. Zulässig ist es bei der Aufteilung auch, auf die Vermutung von Art. 14 Abs. 1 WMVG abzustellen, gemäss welcher Bestimmung bei umfassenden Überholungen in der Regel 50-70 Prozent als wertvermehrende Investitionen gelten, also die Anlagekosten erhöht werden.
Rund um Immobilien
Die Berufung auf die Nettorendite, um eine Herabsetzung oder eine Mietzinserhöhung durchzusetzen, ist mit vielen Hindernissen verbunden.