Das Problem der Kettenverträge ist vor allem aus dem Arbeitsrecht bekannt. Statt dass ein auf lange Sicht geplanter unbefristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen wird, wird eine Reihe von jeweils befristeten Arbeitsverträgen eingegangen. Meist will der Arbeitgeber damit Ansprüche des Arbeitnehmers nicht entstehen lassen, welche von der Zeitdauer des Arbeitsverhältnisses abhängen. Ein ähnliches Phänomen kennt aber auch das Mietrecht. Wiederum werden nacheinander in grösserer Zahl befristete Mietverträge abgeschlossen, Vertragsketten genannt, anstatt dass von Anfang an ein unbefristeter Mietvertrag abgeschlossen wird. Das Bundesgericht hat sich kürzlich zum ersten Mal und sehr umfassend mit solchen Kettenmietverträgen beschäftigt (BGE 139 III 145 = Pra 102 (2013) Nr. 96).
Kettenverträge im Arbeitsvertragsrecht
Nach Art. 319 Abs. 1 OR kann ein Arbeitsvertrag befristet oder unbefristet abgeschlossen werden. Den Parteien ist es deshalb auch erlaubt, erneut befristete Arbeitsverträge abzuschliessen, welche auf ein bereits befristetes Arbeitsverhältnis folgen.
Eine Schranke aber setzt der Rechtsmissbrauch. Ein solcher braucht drei Voraussetzungen: Erstens liegt eine Vertragskette von befristeten Arbeitsverträgen vor. Zwei Verträge genügen in der Regel aber nicht. Zweitens ist die Befristung durch keine objektiven Gründe gerechtfertigt. Drittens wird damit bezweckt, die Anwendung der Kündigungsschutzbestimmungen zu umgehen oder die Entstehung gesetzlicher Ansprüche zu verhindern, die von einer gewissen Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses abhängen.
Umgehungspotenzial im Mietvertragsverhältnis
Befristete Mietverträge fallen nicht unter den Anwendungsbereich der zwingenden Schutzbestimmungen gegen missbräuchliche Kündigungen. Wenn ein neuer befristeter Mietvertrag abgeschlossen wird, kann der Mietzins wohl erhöht werden. Doch kann der Mieter den Anfangsmietzins anfechten. Allerdings hat der Mieter neben einem gewissen Zwang den missbräuchlichen Charakter des neuen Mietzinses nachzuweisen. Nur bei einer erheblichen Erhöhung – über 10% – muss keine Zwangssituation belegt werden. Auch ist beim befristeten Mietvertrag eine Erstreckung des Mietverhältnisses möglich, allerdings muss das Begehren 60 Tage vor dem Ende des befristeten Mietverhältnisses gestellt werden. Auch wenn mit der Befristung von Mietverträgen Gesetzesumgehungen möglich sind, so gibt es im Mietvertrag doch keine Ansprüche des Mieters, die unmittelbar von der Dauer des Mietverhältnisses abhängen. Das Umgehungspotenzial bei Mietverträgen ist also eindeutig geringer als bei Arbeitsverträgen.
Grundsätzliche Zulässigkeit von Kettenmietverträgen
Das Gesetz selbst enthält keine Bestimmung, welche den Abschluss von mehreren aufeinanderfolgenden und befristeten Mietverträgen verbietet. Art. 266 Abs. 2 OR sieht sogar die stillschweigende Fortsetzung eines befristeten Mietvertrages vor und stellt dafür die Vermutung auf, wonach es sich beim neuen Vertrag um ein unbefristetes Vertragsverhältnis handelt. Der Abschluss einer Kette von befristeten Mietverträgen ist nach Meinung des Bundesgerichts also grundsätzlich zulässig.
Nur ausnahmsweise unzulässig
Nur wenn mit dieser Vertragskette Gesetze umgangen werden sollen, ist die Vertragskette unzulässig. Eine solche Gesetzesumgehung liegt vor, wenn der Vermieter wohl die Absicht hat, sich auf unbestimmte Zeit zu binden, jedoch ein System von befristeten Mietverträgen mit dem einzigen Zweck wählt, die zwingenden Bestimmungen des Mietrechts ausser Kraft zu setzen. Diejenige Partei, welche die Anwendung der – angeblich – umgangenen Norm verlangt, hat das Vorliegen einer Gesetzesumgehung nachzuweisen. Die Beweislast obliegt also in der Regel dem Mieter. Der Vermieter hat nicht ein spezielles Interesse am Abschluss von befristeten Mietverträgen nachzuweisen. Ob eine Gesetzesumgehung vorliegt, ist nach Abschluss des Beweisverfahrens nach Würdigung von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.
Fazit
Wer sich als Vermieter für ein Kettenmietverhältnis entscheidet, tut gut daran, die Gründe für diese Entscheidung zu dokumentieren und zu prüfen, ob allenfalls die Voraussetzungen einer Gesetzesumgehung vorliegen. Liegen rechtfertigende Gründe vor und kann eine Gesetzesumgehung ausgeschlossen werden, sind Kettenmietverträge zulässig.