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Die Schranken eines Gewährleistungsausschlusses

I. Ausgangslage
Ein Verkäufer einer Liegenschaft, der meint, ein Gewährleistungsausschluss schütze ihn vor Mängelansprüchen des Käufers, kann sich schwer irren, vor allem dann, wenn die Mängelbehebung teuer wird. Die Praxis der Gerichte im Zusammenhang mit Gewährleistungsansprüchen bei Liegenschaften ist differenzierter. In einem neueren Fall (BGE 133 III 686) hat das Bundesgericht seine Praxis zusammengefasst. Zugrunde lag der folgende Sachverhalt: Ein Verkäufer verkaufte seine Liegenschaft an einen Käufer für einen Kaufpreis von CHF 450‘000. Der Käufer stellte nach Antritt des Eigentums fest, dass die Liegenschaft unter schweren Feuchtigkeitserscheinungen litt. Die Kosten für die Behebung der Mängel wurden von einem vom Käufer beauftragten Experten auf CHF 150‘000 geschätzt. Als der Käufer gegen den Verkäufer auf Zahlung der Mängelbehebungskosten klagte, berief sich dieser auf den Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag. In Ziffer 8 des Kaufvertrages wurde nämlich die Gewährleistung für körperliche und rechtliche Mängel des Grundstückes im gesetzlich zulässigen Rahmen ausgeschlossen.

II. Der Umfang einer Gewährleistungsausschlussklausel
Das Bundesgericht prüfte zunächst die Frage, ob der geltend gemachte Feuchtigkeitsschaden unter den Gewährleistungsausschluss falle. Massgeblich für diese Auslegungsfrage ist zunächst der zwischen den beiden Parteien tatsächlich vorhandene gemeinsame Wille. Weil dieser nicht nachgewiesen werden konnte, war die Klausel in Ziffer 8 des Kaufvertrages nach Treu und Glauben auszulegen. Massgebliche Kriterien für eine solche Auslegung sind der Wortlaut, der Zusammenhang sowie die gesamten Umstände des Vertragsschlusses. In diesem Zusammenhang hielt das Bundesgericht fest, dass bei objektiver Auslegung ein Mangel dann nicht unter eine Ausschlussklausel fällt, wenn er gänzlich ausserhalb dessen liegt, womit ein Käufer vernünftigerweise rechnen muss. Womit ein Käufer zu rechnen hat, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab.

III. Kriterien für die Bestimmung des Umfanges im Einzelnen
Massgeblicher Zeitpunkt

In Liegenschaftskaufverträgen steht praktisch immer eine Regelung über den Antritt des Kaufsobjektes. In diesem Zeitpunkt gehen auch Nutzen und Gefahr über. Nur Mängel, die vorher schon vorhanden waren, unterliegen überhaupt einer Gewährleistung. Für Mängel die nachher entstehen, hat allein der Käufer einzustehen.

Allgemein oder speziell formulierte Klausel
Werden in einer speziell formulierten Klausel bestimmte Mängel ausgeschlossen, so hat es dabei sein Bewenden. Auszulegen ist also meist nur eine allgemein formulierte „Standard“-Klausel.

Keine Erkennbarkeit des Mangels
Erkennbare Mängel können kaum eine derartige Bedeutung erlangen, dass eine Gewährleistungsausschlussklausel zu Fall gebracht wird. Eine Auslegung der Ausschlussklausel ist also nur im Hinblick auf nicht erkennbare Mängel notwendig.

Auswirkung des Mangels auf den Vertragszweck
Jeder Vertrag wird zu einem bestimmten Zweck abgeschlossen. Ist dieser Zweck wegen der Mängel nicht mehr erreichbar, die Liegenschaft also für den vorgesehenen Gebrauch untauglich, dann ist die Bedeutung einer allgemein formulierten Ausschlussklausel kaum mehr von grosser Bedeutung.

Ausmass des Schadens der Mängelbehebung
Auch das Ausmass des Schadens, der bei der Mängelbehebung entsteht, ist für die Auslegung wichtig. Nicht nur der Mangel an sich kann ausserhalb dessen liegen, womit vernünftigerweise bei Vertragsabschluss gerechnet werden muss. Auch dass Ausmass der Mängelbehebung kann diese Zumutbarkeit überschreiten. Das Ausmass des Schadens ist im Verhältnis zum Kaufpreis zu sehen. Führen andererseits Mängel des Kaufobjektes zu einem tieferen Kaufpreis, so können diese Mängel vom Käufer nicht nochmals geltend gemacht werden. Das ist gerade bei Altbauten der Fall.

Werturteil
Die oben geschilderten Umstände werden schliesslich einem Werturteil unterzogen. Der geltend gemachte Mangel muss völlig ausserhalb dessen liegen, womit vernünftigerweise gerechnet werden kann und muss. Liegt diese Voraussetzung vor, kommt die Ausschlussklausel für den betreffenden Mangel nicht zur Anwendung.

IV. Beurteilung des konkreten Falles
Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht das vorinstanzliche Urteil aufgehoben. Das Bundesgericht ging aufgrund des hohen Ausmasses des Schadens davon aus, dass der Käufer mit diesem Ausmass vernünftigerweise nicht rechnen musste. Allerdings musste das genaue Ausmass des Schadens von der Vorinstanz noch ermittelt werden.

V. Würdigung
Wichtig am oben zitierten Entscheid ist der Umstand, dass der Verkäufer einer Liegenschaft damit rechnen muss, dass ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss nicht greift. Diese Möglichkeit besteht vor allem dann, wenn im Kaufvertrag nur eine Standardklausel verwendet wird.