Wenn eine Person stirbt, gehen in der Schweiz in diesem Moment die Aktiven und Passiven vom Erblasser auf die Erben über. Wer aber sind diese Erben und wie legitimieren sie sich gegenüber Dritten, z.B. gegenüber dem Grundbuchamt oder in einem Prozess, wenn der Erblasser Partei eines hängigen Verfahrens ist. In der Schweiz wurde zur Klärung der bei einem Erbfall bestehenden Unsicherheit die Erbbescheinigung eingeführt. Ein formelles Dokument soll lange Nachforschungen über die Erben ersparen. In einem neueren Entscheid hat das Bundesgericht dazu einige Punkte geklärt bzw. nochmals festgehalten (5A_533/2015).
Sachverhalt
Der Erblasser, ein britischer Staatsangehöriger, verstarb am 29. März 2004 in der Schweiz. Er war in der Schweiz, nämlich im Kanton Waadt wohnhaft. Er hinterliess seine letzte Ehefrau (Witwe) und seine vier Kinder aus früherer Ehe. Am 2. November 2004 wurde eine Klage auf Teilung der Erbschaft erhoben. Am 21. Juni 2013 stellte die Witwe das Gesuch um Ausstellung einer Erbbescheinigung bei der Friedensrichterin des Bezirkes Nyon. Im Kanton Waadt ist der Friedensrichter für die Ausstellung von Erbbescheinigungen zuständig. Am 14. Mai 2014 starb auch die Witwe. Am 13. August 2014, also nach dem Tod der Witwe, stellte die Friedensrichterin in Nyon die Erbbescheinigung aus. Sie führt dort die nachverstorbene Witwe und die vier Kinder des Erblassers auf. Das aber passte den Erben der nachverstorbenen Witwe nicht, welche auf der Erbbescheinigung die Aufführung ihrer Namen forderten.
Beurteilung
Bedeutung der Erbbescheinigung
Die Erbbescheinigung hat ihre Grundlage in Art. 559 ZGB. In diesem Artikel steht, dass den eingesetzten Erben nach Ablauf eines Monats seit der Mitteilung an die Beteiligten, wenn die gesetzlichen Erben oder die aus einer früheren Verfügung Bedachten nicht ausdrücklich deren Berechtigung bestritten haben, auf ihr Verlangen von der Behörde eine Bescheinigung darüber ausgestellt wird, dass sie unter Vorbehalt der Ungültigkeitsklage und der Erbschaftsklage als Erben anerkannt seien. Das Recht steht praxisgemäss auch den gesetzlichen Erben zu.
Die Erbbescheinigung ist eine Urkunde, welche in Bezug auf den Nachlass eines Verstorbenen die Erbenqualität der darin aufgeführten Personen bescheinigt. Es handelt sich um einen Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das Verfahren der Ausstellung ist nicht darauf ausgerichtet, materiell-rechtlich über die Erbenqualität zu entscheiden. Entsprechend nimmt die zuständige Behörde auch keine vertiefte Abklärung der materiell-rechtlichen Situation vor. Die Erbbescheinigung hat deshalb keine Rechtskraft hinsichtlich der Erbenqualität. Sie schafft und verändert kein Recht. Die Urkunde bescheinigt den vorläufigen, eben provisorischen, aber immerhin unstrittigen Rechtszustand auf der Grundlage einer beschränkten Sachverhaltsermittlung.
Immerhin ist die Erbbescheinigung eine Legitimationsurkunde, die es ihren Inhabern erlaubt, über die Güter des Nachlasses zu verfügen. Allerdings ist die Legitimation nur eine provisorische. Sie erleichtert die tatsächliche Sachherrschaft.
In der Erbbescheinigung aufzuführende Erben
Das Bundesgericht bezeichnet die Bestimmung von Art. 559 ZGB als wenig genau. Es fehlt an genauen und zwingenden Bestimmungen betreffend den Inhalt der Erbbescheinigung. Entsprechend haben die ausstellenden Behörden ein gewisses Ermessen, welches vom Bundesgericht nur auf Willkür überprüft werden kann. Aufzuführen in der Erbbescheinigung sind aber alle Erben des Nachlasses des Verstorbenen. Diese sind genau und abschliessend zu bezeichnen. Im vorliegenden Fall sind dies die nachverstorbene Witwe und die vier Kinder des Erblassers. Auf den Tod der Witwe ist hinzuweisen. Die Verfügung der Friedensrichterin war deshalb nach Ansicht des Bundesgerichts inhaltlich nicht willkürlich.
Fazit
Die Erbbescheinigung ist eine vorsorgliche Massnahme nach dem Tod einer Person. Sie soll rasch, aber ohne einlässliche Abklärung des Sachverhalts und der sich stellenden Rechtsfragen die Legitimation am Nachlass festhalten. Entsprechend diesem Zweck ist die Erbenbescheinigung bezüglich der Erbenqualität nur provisorisch und entfaltet keine Rechtskraft. Immerhin dürften aber in den meisten Fällen mit einer derartigen Dichte der Abklärung die richtigen Erben auf der Erbbescheinigung stehen, zumal übergangene Erben ein Einspracherecht haben und die Ausstellung verhindern können.