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Die Enterbung und ihre Grenzen

Ein Erblasser, der über seinen Nachlass über seinen Tod hinaus verfügen will, fragt sich gelegentlich, ob er den einen oder anderen seiner Erben enterben will. Vor allem wenn sich die Erben überhaupt nicht um den Erblasser gekümmert haben, liegt der Gedanke einer Enterbung nahe. Wie die nachfolgenden Ausführungen aufzeigen, ist eine Enterbung wohl möglich, doch sind dabei vom Gesetz enge Grenzen gesetzt.

I. Gründe für eine Enterbung
Unter Enterbung versteht man den Vorgang, mit welchem der Erblasser in einer Verfügung von Todes wegen den Entzug des Pflichtteils anordnet. Die Enterbung ist in den Art. 477 – 480 ZGB geregelt.

Das Gesetz kennt zwei Arten der Enterbung.

Bei der Strafenterbung soll ein Verhalten des Pflichtteil geschützten Erben sanktioniert werden. Entweder hat er durch ein Verbrechen oder Vergehen oder dann durch die Verletzung seiner Unterstützungspflichten gegenüber dem Erblasser die Familienbande zum Erblasser derart gestört, dass es diesem nicht mehr zumutbar ist, dem Erben den Pflichtteil zu belassen.

Bei der Präventiventerbung soll das Erbvermögen vor einem überschuldeten Nachkommen geschützt werden.

II. Strafenterbung im Besonderen
Will der Erblasser eine Strafenterbung verfügen, hat er vier Voraussetzungen zu beachten.

1.
Die Enterbung muss in einer Verfügung von Todes wegen angeordnet worden sein. Meist ist dies ein Testament. Die Formvorschriften dieser Verfügung von Todes wegen sind einzuhalten.

2.
Es muss der vom Gesetz erwähnte Enterbungsgrund auch tatsächlich vorliegen. Dabei geht es zunächst um eine schwere Straftat gegen den Erblasser oder gegen eine ihm eng verbundene Person. Eine schwere Straftat allein genügt noch nicht. Sie muss sich auch gegen den Erblasser oder eine ihm nahestehende Person ausgewirkt haben. Ein weiterer Enterbungsgrund ist die schwere Verletzung einer familienrechtlichen Pflicht gegenüber dem Erblasser oder dessen Angehörigen. Dabei geht es um Unterhalts- oder Verwandtenunterstützungspflichten, um Beistands- und Rücksichtspflichten zwischen Eltern und Kindern sowie um die Pflichten gegenüber Ehegatten. Die Pflichtverletzungen müssen zudem schwer sein und sich zusätzlich gegen den Erblasser oder dessen Angehörigen richten.

3.
Der Grund der Enterbung muss in der Verfügung von Todes wegen angegeben werden. Die Angaben sollen detailliert erfolgen, damit eine Nachprüfung möglich ist.

4.
Schliesslich darf es nicht zu einer nachträglichen Verzeihung gekommen sein. Das Bundesgericht verlangt dafür einen formellen Widerruf. Die überwiegende Lehre gibt sich mit einer formlosen Verzeihung zufrieden.

III. Präventiventerbung im Besonderen
Die Präventiventerbung richtet sich nur gegen Nachkommen. Diese müssen überschuldet sein (Verlustschein). Zudem kann in diesem Fall dem Nachkommen nur die Hälfte des Pflichtteils entzogen werden. Diese Hälfte muss zudem den Kindern des Nachkommens zugehen. Immerhin kann damit die Hälfte des Pflichtteils vor den Gläubigern des Nachkommens gerettet werden. Es sind die folgenden Voraussetzungen einzuhalten:

1.
Auch die Präventiventerbung muss in einer Verfügung von Todes wegen enthalten sein.

2.
Wiederum ist der Grund für die Enterbung in der Verfügung von Todes wegen aufzuführen. Der Grund muss zudem tatsächlich vorliegen.

3.
Die Präventiventerbung ist nur gegenüber Nachkommen möglich.

4.
Entzogen werden darf nur die Hälfte des Pflichtteils.

5.
Schliesslich muss die entzogene Hälfte des Pflichtteils den Kindern des Nachkommens zugehen.

IV. Verteidigungsmittel des Enterbten
Der Erbe, welcher von einer Enterbung betroffen ist, besitzt – ausser im Fall der Präventiventerbung – keine Erbenstellung. Der Nachlass wird so verteilt, wie wenn der Enterbte vorverstorben wäre.

Der Enterbte kann sich aber, wenn die Verfügung von Todes wegen einen Mangel aufweist oder die speziellen Voraussetzungen für eine Enterbung nicht gegeben sind, zur Wehr setzen. Die Mängel der Verfügung von Todes wegen kann er mit Ungültigkeitsklage geltend machen. Dringt er durch, führt dies zur Ungültigkeit der Verfügung von Todes wegen. Er erhält damit seine normale Erbenstellung. Das Fehlen der speziellen Voraussetzungen für eine Enterbung ist mit Herabsetzungsklage anzufechten. Dringt der Enterbte durch, wird er aber auf jeden Fall auf den Pflichtteil gesetzt.

V. Fazit
Wer sich dazu entschliesst, einen Erben zu enterben, macht dies regelmässig in einem Testament. Er hat dabei neben den Formvorschriften für das Testament auch verschiedene für die Enterbung geltende Voraussetzungen zu erfüllen. Wird dies nicht beachtet, kommt es nach dem Tod fast sicher zu Streitigkeiten.